22.03.2016

Eine Adlerin erhebt ihre Schwingen

Selbstbewusst und frech prangt die Tiroler Adlerin auf rot-weiß-rot karierten Sommerkleidern, Tank-Tops oder Zillertaler Doggln. Das Motiv entspringt einem kleinen Atelier in Hippach im Zillertal, wo es in Handarbeit auf traditionelle und moderne Stoffe gedruckt wird. Die Holzdielen sind übersäht mit Farbklecksen und knarren unter den Füßen. Gegenüber dem Eingang gewährt ein Fenster den Blick auf die kraftvolle Zillertaler Bergwelt, die Ahornspitze, Gerlosstein und den Penken. „Ich schöpfe aus der Natur viel Kraft“, erklärt die Künstlerin Margret Schiestl und schiebt einen Bottich roter Farbe zur Seite. Der Siebdruck ist für heute abgeschlossen. Auf einem alten Holztisch wartet Zillertaler Lodenstoff darauf, zu einer Jacke oder einem Rock verarbeitet zu werden.

Die Adlerin stärkt

Bodenständig ist die Adlerin und bodenständig soll auch das Produkt sein. „Ich verwende vorwiegend regionale Stoffe und Naturfasern und arbeite mit regionalen Betrieben zusammen. Das verleiht dem Produkt noch mehr Stärke.“ Der Loden stammt beispielsweise aus einer kleinen Manufaktur in Hart. Die Künstlerin veredelt die hochwertigen Stoffe dann per Hand oder lässt sie, bei größeren Kollektionen, in einer Zillertaler Druckerei verarbeiten. „Die Adlerin hat einen Auftrag“, erklärt die Designerin stolz. „Sie unterstreicht die weibliche Stärke und das Selbstbewusstsein der Frau.“ Neben exklusiven Stücken mit dem freiheitsliebenden Vogel als Motiv und frechen Mundart-Sprüchen wie „i bin modern und traditionell“, „i leb’ mein leben“ oder „i steah auf tirol“, stellt Margret Schiestl auch T-Shirts und Tanktops in größerer Zahl her. Doch Unikate sind ihre Favoriten. „Der Massenmarkt liegt mir nicht. Ich produziere gerne Einzelteile, die edel sind und eine persönliche Note haben.“ Diese näht und strickt Margret Schiestl selber. T-Shirts, Tank Tops, Sweater und Decken kauft sie zu.

Zugeflogen

Die Tiroler Adlerin ist Margret Schiestl im wahrsten Sinne des Wortes zugeflogen. Für einen Handsiebdruckkurs, sollte jeder Teilnehmer ein Motiv mitbringen. Die Künstlerin vergaß darauf und saß gemütlich im Zug von Hippach nach Innsbruck, als ein Greifvogel ihre Aufmerksamkeit auf sich zog. Sie skizzierte ihn, fügte Krone und Brüste hinzu und brachte das kurzerhand als Motiv mit in den Kurs. „Die Adlerin ging mir ganz leicht von der Hand. Ich erkannte im Nachhinein, dass die zwei Greifer wie High Heels aussahen. Die Adlerin ist sehr feminin und steht trotzdem mit beiden Beinen fest am Boden.“ Als stolze Zillertalerin hat Marget Schiestl eine starke Symbolfigur für Frauen kreiert, die nun eine Modelinie ziert. Auch für Männer gibt es die selbstbewusste Adlerin auf der Brust. „Es waren starke Männer, die nach der Tiroler Adlerin fragten, nicht verweichlichte.“ Und so entstand gleich noch eine Männerkollektion, bei der die femininen Aspekte mehr in den Hintergrund treten und Sprüche wie „i flieg auf tirol“ T-Shirts und Longsleeves zieren.

Familienunternehmung

Die ganze Familie Schiestl steht als engagiertes Team hinter der Adlerin. „Mein Mann stärkt mir den Rücken, indem er mir das Atelier zur Verfügung stellt und mich in meiner Kunst unterstützt“, freut sich Margret Schiestl. Tochter Melanie, die Betriebswirtschaft studiert hat, ist für den Einkauf, Verkauf und das Marketing verantwortlich. „Wir legen Wert auf beste Qualität, und so kaufen wir in erster Linie regional ein. Bei T-Shirts achten wir darauf, dass sie ohne Kinderarbeit hergestellt wurden“, betont Melanie. Es ist nur konsequent, den gesamten Produktionsprozess adlerin-gemäß zu organisieren, das heißt auch verantwortungsvoll und umsichtig. Und diese Kombination aus hochwertigen Materialien und Kunst findet auch ihre Liebhaber und Abnehmer, was Margret positiv in die Zukunft blicken lässt. „Wir hoffen stark, dass die Tiroler Adlerin noch höher fliegt und weiteren Anklang findet“, denn die Königin der Alpen ist erst vor zwei Jahren flügge geworden. Faktbox Die Künstlerin Margret Schiestl wuchs in einer Familie auf, in der die Großmutter Hand- und Tischtücher webte, die Mutter Kleider schneiderte und während dem Geschichtenerzählen strickte. Seit über zwanzig Jahren baut sich die Zillertalerin nun kontinuierlich einen Namen als Künstlerin auf, und das mit Erfolg. Bis 1984 Lehrerin, begann sie 1988 zu malen und belegte dabei regelmäßig Kurse bei akademischen Künstlern. Weiblichkeit und Frau sind zentrale Themen ihrer Arbeit. Vor zehn Jahren stellte sie erstmals ihre Werke aus. Das Jahr 2006 widmete Margret Schiestl ganz der Bildhauerei, während sie sich 2007 in experimenteller Drucktechnik weiterbildete. Dabei entstand das Motiv „Tiroler Adlerin“, woraus eine Modelinie entstand. Die Tiroler Adlerin … … baut auf regionale Stoffe und Handwerk. … vereint Tradition, Design und modernen Lebensstil. … trägt als Symbole eine Krone, eine spitze Zunge, erhobene Hände und High Heels. … steht für Bodenständigkeit, Freiheit, Selbstbewusstsein, Mut, Stärke und Weiblichkeit.

Text: © Julia Brugger

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